Gravur on Tour

Der Gravur eine Zukunft zu geben, bedeutet, den Nachwuchs zu fördern. In einigen Ländern, die die internationale Wanderausstellung ‚Gravur on Tour‘ besucht, ist es darum nicht gut bestellt.

 

So berichtet Katharine Coleman, prominente Graveurin aus Großbritannien, dass dort zur Zeit im universitären Bereich an keiner Glasabteilung Gravur als Unterrichtselement gelehrt wird. Sie lobt im gleichen Atemzug, dass in Deutschland und Tschechien die Gravur nach wie vor integrierter Bestandteil einer umfassenden Glasausbildung geblieben ist. So auch am Staatlichen Berufskolleg Glas- Keramik- Gestaltung des Landes NRW in Rheinbach. Diese Schule bot unmittelbar vor der Eröffnung der Gravur on Tour-Ausstellung im Glasmuseum Rheinbach einem Dutzend Networkern nicht nur einen Einblick in das dortige Schulleben, sondern organisierte einen Gravur-Workshop, in dem Tour-Teilnehmer, ausgewählte Schüler der Schule, einige ehemalige Schüler und - im Rahmen ihrer langjährigen internationalen Kooperationen - eine Gruppe tschechischer Glas-Schüler drei Tage lang Objekte erschufen, die sich mit dem Thema ‚Hand-Schrift‘ auseinandersetzten. Nur auf Grund des unermüdlichen Engagements des beteiligten Lehrerteams der Schule und der exzellenten Arbeitsbedingungen war die Realisierung einer Vielzahl bemerkenswerter Objekte möglich, wobei die Arbeitsbereiche von den eher ‚klassischen‘ Methoden des Ätzens, der Glasmalerei und der Maschinen- und Handgravur bis hin zur computergesteuerten Herstellung von Spezialfolien reichte, die per anschließendem Sandstrahlen die Wiedergabe von Fotovorlagen oder am PC entwickelter Bildkompositionen ermöglichte. Die Ergebnisse des Workshops wurden ebenfalls im Glasmuseum Rheinbach ausgestellt. In vielen der Objekte zeigt sich ein großes Interesse an der Kombination verschiedener Techniken, die ein großes Potential der Oberflächengestaltung ermöglicht. Der Trend weg von einer ‚puristischen‘ Gravurauffassung hin zum Experimentellen ist dabei unübersehbar und dürfte richtungsweisend sein. In diesem Sinne schreibt Patrick Roth, Ausstellungsteilnehmer und Lehrer in Rheinbach: „Entwicklung muss stattfinden, aber nur im Zusammenspiel zwischen Innovation und Tradition kann etwas Neues, Lebens- und Liebenswertes entstehen, das auch die Energie besitzt, sich im 21. Jahrhundert zu behaupten. Ich würde mir als Lehrkraft für Schliff und Gravur eine stärkere Modularisierung, verbunden mit einer gleichzeitigen Ausdehnung der Ausbildungszeit auf vier Jahre wünschen.

Gelingt dem Engraving Network in einer verstärkten Zusammenarbeit mit Glasschulen und –akademien und durch Schaffung von Ausstellungsmöglichkeiten für nachwachsende Talente zusammen mit arrivierten Glaskünstlern eine gezielte Nachwuchsförderung, würde es seinem wohl wichtigsten Anliegen vollauf gerecht. In diesem Sinne waren Projekt und Ausstellung in Rheinbach modellhaft. Im nächsten Frühjahr nimmt die Tour ihren Weg über Kamenicky Senov (CZ) nach Tallinn, der estnischen Hauptstadt. Dort werden parallel zur Tour- Ausstellung in der Nationalbibliothek auch die Ergebnisse eines Gral- Workshops von Studenten der Glasabteilung der dortigen Estnischen Kunstakademie unter Leitung von Prof. Mare Saare gezeigt. Die Kombination von Arbeit am Brennofen und Gravur, die diese in letzter Zeit wieder aufblühende Technik ausmacht, birgt sicher ein hohes Maß an Attraktivität für Studenten. Es steht zu hoffen, dass dieser erste Versuch, die Gravur Schritt für Schritt an der Akademie in Tallinn wieder zu etablieren, gelingen mag, war doch die Gravur in der frühen Zeit nach der Gründung ihrer Glasabteilung 1937 ein Hauptunterrichtsfeld. Mare Saare, selbst Teilnehmerin der Tour, beabsichtigt, in dieser Sonderausstellung auch einigen jungen Talenten aus anderen europäischen Ländern Gelegenheit zu geben, ihre Arbeiten zu präsentieren- auch dies ein spannendes Projekt der Nachwuchsförderung von internationalem Charakter.

Norbert Kalthoff

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