Udo Edelmann

Udo Edelmann, 1938 in Landsberg a.d. Warthe (heute poln. Gorzów Wielkopolski) geboren, ist einer der bedeutendsten deutschen Studioglaskünstler seiner Generation. Zu seinem eindrucksvollen Oeuvre als Bildhauer, Glasgestalter und Designer kommt ein breit gestreutes Engagement als Ausstellungsmacher, Ausbilder und Impulsgeber für die deutsche und internationale Glasszene hinzu.

 

Sein Lebenslauf ist typisch für viele Angehörige seines Jahrgangs: Der Vater fiel noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, die Mutter flüchtete mit zwei kleinen Kindern aus der zerstörten Heimatstadt Landsberg über Berlin, Rügen und Lübeck-Travemünde und fand schließlich im schleswig-holsteinischen Trappenkamp(*) eine Bleibe. In dieser Flüchtlings- und Vertriebenensiedlung, die auf dem Gelände eines ehemaligen Marinesperrwaffenarsenals entstanden war, kam Udo Edelmann zum ersten Mal mit dem Werkstoff Glas in Berührung, dessen Faszination ihn ein Leben lang begleiten sollte.

 

Um sich einen professionellen Zugang zum Glas zu eröffnen, nahm Udo Edelmann erst ein Chemie- und Technikstudium auf und absolvierte dann eine Ausbildung an der Staatlichen Glasfachschule Rheinbach; hier übernahm er später einen Lehrauftrag. Eine entscheidende berufliche Station war die Ichendorfer Glashütte, in die er 1970 eintrat und wo er schnell vom Direktionsassistenten zum technischen Direktor aufstieg. In Ichendorf entwickelte er neben Direktor Rudolf Penkert die Designlinie des Unternehmens. Nach dessen Ausscheiden wurde 1972 Edelmann sein Nachfolger mit Prokura und war fortan für den gesamten technischen Bereich des Unternehmens verantwortlich. Die Entwürfe der Designer Wolfgang Klapp und Werner Bünck wurden in der Folgezeit mit Edelmann realisiert.

 

Eine besondere Herausforderung waren die experimentellen Rekonstruktionsversuche antiker Rippenschalen und Fadengläser, zu denen Edelmann herangezogen wurde. So lernte er den renommierten Archäologen Prof. Otto Doppelfeld kennen und durfte die ersten originalgetreuen Nachschöpfungen antiker Gläser aus dem Römisch-Germanischen Museum Köln entwickeln. 1978 wurden die Repliken in Ichendorf gefertigt, 1980-82 legte die Süßmuth-Hütte Immenhausen eine unter der Verantwortlichkeit Edelmanns entstandene „Edition römische Gläser“ auf. Diese Serie kam zu den anderen Design-Linien hinzu, die Edelmann für Süßmuth kreiert hatte.

 

Daneben wurde Edelmann mit dem Aufbau und Leitung einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte für sämtliche Glasberufe in Kas­sel betraut. Drei Jahre lang (bis 1983) leitete er in Immenhausen die Sommerschule, die von der Glashütte Süßmuth und der Süßmuth-Mitarbeiter-Stiftung veranstaltet wurde. Zahlreiche renommierte Glaskünstler wie Jutta Cuny-Franz, Gerd Kruft, Pavel Molnar, Ursula Huth, Lubomir Hora, Roderich Wohlgemuth u.a. nahmen an den Kursen teil, und Edelmann als „Hot-glass-Lehrer“ konnte ihrer Arbeit wertvolle neue Impulse verleihen.

 

Edelmann ging für ein zweijähriges Praktikum ins Glasland Schweden. Später übernahm er Planung und Baubegleitung einer größeren Glasfabrik für die VR China in Guangzhou (Kanton) sowie weitere Bera­terfunktionen in Guatemala und Portugal. Für die Firmen Roldao (Marina Grande, Portugal) und Glassartsa Vidrio soplada (Guatemala C.A.) arbeitete er Designentwürfe aus, die in die Produktion aufgenommen wurden. Auch später, in den 90-er Jahren, erhielt er Gelegenheit, seine pädagogischen Fähigkeiten einzusetzen: Seit Anfang der 90-er Jahre arbeitete er mit seinen drei portugiesischen Assistenten wiederholt in der „Mundglashütte Harzkristall“ in Derenburg/Harz. Die Glashütte war praktische Ausbildungsstätte für Kunststudenten aus Berlin, Hildesheim und von der schon zu DDR-Zeiten renommierten „Künstlerschmiede“ Burg Giebichenstein bei Halle. Hier konnte Edelmann den Studenten viel von seiner Erfahrung mitgeben.

 

1981 kuratierte er in Kassel die parallel zur Bundesgartenschau gezeigte Ausstellung „Glaskunst 81“, neben dem Coburger Glaspreis ein Meilenstein der internationalen Studioglasbewegung. Der große Einfluss dieser Schau liegt nicht zuletzt darin begründet, dass es gelungen war, junge Glaskünstler diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs zusammenzuführen.

 

1982 ließ sich Udo Edelmann in Rheinbach nieder und eröffnete zusammen mit seiner Frau Chris auf dem Gelände des ehemaligen Rheinbacher Wasserwerks das „Glashaus am Wasserturm“. Der Studioglasofen blieb bis 2005 in Betrieb. In Rheinbach entstanden freie künstlerische Arbeiten, wobei gelegentlich auch Glaskünstlerkollegen für einen begrenzten Zeitraum mitarbeiteten und sich ein fruchtbarer künstlerischer Dialog entspann. Daneben legte das „Glashaus am Wasserturm“ eine eigene Studio- bzw. Designlinie auf, die von Chris Edelmann wesentlich beeinflusst wurde.

 

Überregional beachtet wurden die vorweihnachtlichen Ausstellungen, zu denen er nicht nur Kollegen aus der internationalen Glasszene (bzw. deren Arbeiten) nach Rheinbach holte sondern auch namhafte Designer (wie z.B. Prof. Heinz Oestergaard), deren Entwürfe er in Glas umsetzte. Mit diesen Ausstellungen, die oft von öffentlichen Workshops und Vorführungen in der Hütte begleitet waren, eröffnete er vielen Besuchern den Zugang zum Glas, gab mannigfaltige Impulse und regte zahlreiche Glassammlungen an. Dass sich Rheinbach den Ruf einer „Glasstadt“ erworben hat, ist nicht zuletzt auch dem künstlerischen Schaffen und den vielfältigen Aktivitäten Udo und Chris Edelmanns zu verdanken.

 

Die Ausstellung, die bis 29. Mai 2016 in Gorzów Wielkopolski (Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta) gezeigt wird und am 12. Juni 2016 nach Rheinbach kommt, wo sie bis zum 28. August im Glasmuseum zu sehen ist, gibt einen umfassenden Überblick über Edelmanns freie künstlerische Arbeiten und über sein Schaffen als Designer.

 

(*) In Trappenkamp hatten sich bis 1948 etwa 850 Menschen angesiedelt, davon etwa die Hälfte Sudetendeutsche, die mehrheitlich aus Gablonz kamen, wo die Glas- und Schmuckwarenindustrie ihren Schwerpunkt hatte. Den Gablonzern war es in relativ kurzer Zeit gelungen, trotz extrem ungünstiger Bedingungen eine größere Zahl kleiner und kleinster Betriebe aufzubauen, wie es ähnlich und in größerem Stil auch in Süddeutschland und Österreich geschah. Außerdem wurde am 1. September 1948 in einem der ehemaligen Bunker das Trappenkamper Hohl- und Farbglashüttenwerk eingerichtet, welches zunächst Stangenglas für die Gablonzer Schmuckwarenindustrie lieferte; der Nachfolgebetrieb stellte später bis in die 1990er Jahre als „Glasfabrik Ernst Friedrich KG" vor allem auch Hohlglas und Kristallglaserzeugnisse („Friedrich Kristall") her. Die frühen Kontakte zu Glasmachern und anderen Glashandwerkern, die aus dem Sudetenland, Schlesien und Rumänien stammten, waren für das Kind und den Heranwachsenden prägend und bestimmten seinen Werdegang.