Marc trifft Mark

In seinem Originalbeitrag für GLASHAUS stellt der Autor und Künstler die neue Galerie “Kunsträume” in Bayerisch-Eisenstein vor. Die Galerie hatte ihn eingeladen zu einer Sonderausstellung parallel zu Chagalls Illustrationen zur Bibel. Anlässlich der Ausstellungseröffnung sprachen der Sammler Heinz Ess und die Kunstwissenschaftlerin Katharina Eisch-Angus über Glasmalerei und die zahlreichen Kirchenfenster, die von beiden Künstlern geschaffen wurden.

Interessanterweise zeigte die Ausstellung dazu kein einziges Beispiel, weder ein Kirchenfenster von Chagall noch eins von Angus. “Diese Diskrepanz veranlasste mich zu einigem Nachdenken über die Studioglas-Bewegung und über die Rolle des Erzählerischen, welche so eng verbunden ist mit der Glasmalerei. Im Kontext des Studioglases hat die Glasmalerei einen schweren Stand. Diese Tatsache geht vermutlich zurück auf gewisse Vorbehalte in der vorherrschenden Kunstszene gegenüber dem Erzählerischen. Demgegenüber zeichnet beide Künstler aus, dass sie nicht nur mit dem für die Architektur so wichtigen Licht arbeiten, sondern auch auf das Bildhafte, das Erzählerische, großen Wert legen. Durch Malerei Geschichten erzählen, genau dadurch
werden ja menschliche Schicksale aus vergangenen Kulturen lebendig. Und die künstlerische Imagination hilft dabei, unser gegenwärtiges Leben besser zu verstehen. Um ein Beispiel
zu nennen: Das zentrale Thema meiner Arbeiten ist der Kampf Jakobs mit dem Engel – eine Geschichte voller Bedeutungen. Sie verweist auf die Notwendigkeit der persönlichen
Auseinandersetzung mit dem Fremden, die eigenen Ängste einzugestehen und Veränderung und Verwandlungen zuzulassen. Für mich ist dieser Aspekt von großer Bedeutung und vielleicht
auch eine Anfrage an die so beliebte 'Faszination des Glases' und die Abstraktion im Studioglas. Dabei gehen das Streben nach künstlerischer Qualität mit einer Vermeidung des Bildhaften im Glas einher. Wie selbstverständlich sieht man in der o.g. Ausstellung Malerei und Drucke an den Wänden, und man hört, diese seien die weniger oft gezeigten und hochgeschätzten Kunstwerke zweier Künstler, die einen wesentlichen Teil ihrer Kunst in öffentlich zugänglichen Kirchen in ganz Europa haben und in einer Technik, die viel zu oft als Kunsthandwerk betrachtet wird. Selbstverständlich ist Chagall als Maler bekannt und als Lithograf biblischer Szenen. Doch bin
ich mir sicher, sein Name beschwört ebenso die Erfahrung, dass man verzückt vor wundervollen Glasfenstern steht. Die Glasmalerei in den Kirchen verbindet die alten Geschichten und
Erinnerungen mit der Erfahrung der Gegenwart. (Im Falle von Chagall die Tiefe jüdischer und christlicher Mythologie, die direkt ins 20. Jahrhundert führt: französischer Künstler, russischer Jude und Überlebender des Holokaust). Darum schätzen wir diese älteste Glaskunst und
erfreuen uns daran, dass sie die Zeit überdauert und unschätzbares Wissen mit sich bringt.”